B Alte Universität
von Markus Göldner
Die Parkanlage am Topfmarkt entspricht dem Verlauf der alten Stadtmauer. Die heute bestehende Schmuckmauer ist der Alma Mater Viadrina gewidmet, der alten Universität Frankfurts. An der Mauer ist zunächst das Wappen der Universität zu sehen. Es folgen eine Darstellung des Hauptgebäudes der alten Viadrina, des Collegienhauses, das früher an dieser Stelle stand und die Portraits von sechs Professoren. In der Mitte der Portraits befindet sich ein Durchbruch, der den Eingang zur Bildung symbolisiert. Das Collegienhaus wurde hier 1507 am Ort der früheren Synagoge vollendet.
Die alte Viadrina entsteht 1506 im Zuge einer zweiten Universitätsgründungswelle in Europa. Dies macht sie zur ersten brandenburgischen Landesuniversität. Veranlasst wird die Gründung vom damaligen Brandenburger Kurfürsten Joachim I., demselben, der auch Juden wieder Privilegien wie freien Handel und freies Wohnrecht zugesteht.
Trotzdem werden, wie an jeder Universität Europas zu dieser Zeit, nur christliche Studenten zugelassen.
Die Universität verfügt über die vier Fakultäten Jura, Theologie, Medizin und Philosophie. Durch engagierte Professoren erweitert sich der Fächerkanon der Philosophischen Fakultät später auf10 Disziplinen, darunter auch Hebräistik.
Bis 1788 gibt es keine Zulassungsbeschränkungen zur Universität - solange man sich ein Studium leisten kann. Dies führt dazu, dass viele ein Studium anstreben. Diese Entwicklung missfällt dem Kurfürsten, so dass er einen Numerus Clausus einführt.
Jüdischen Studenten ist zur Zeit der Hochschulgründung der Zugang zum Studium verwehrt. Doch kommt es hier in Brandenburg 1613 zu einem Umschwung, als der damalige Kurfürst Johann Sigismund der reformierten Kirche beitritt. In der Folge werden reformierte Professoren eingestellt. Durch ihre neuen Lehrideen und -methoden entwickelt sich Frankfurt zu einem gelehrten Zentrum des deutschen Calvinismus. Man geht auf Reisen, beginnt sich für fremde Kulturen zu interessieren und öffnet sich diesen.
Ein weiterer günstiger Umstand ist die Neuansiedlung einer jüdischen Bevölkerung Mitte des 17. Jahrhunderts in der Mark Brandenburg.1671 nimmt Kurfürst Friedrich Wilhelm 50 jüdische Familien aus Wien auf, wovon sich 10 in Frankfurt niederlassen.
Die Gemeinde ist ein wichtiges Kriterium für jüdische Studenten. Dort können sie ein günstiges Dach über dem Kopf und mit dem nötigen Wissen eine Anstellung als Talmud- oder Midrasch-Lehrer finden.
An der Universität ist Medizin das einzige Fach, das lohnenswert für einen jüdischen Studenten ist. Perspektiven als Gelehrter in anderen Fächern gibt es für Juden kaum, mit Ausnahme des Talmud-Studiums bei einem Rabbiner. Juden sind in dieser Zeit meist im Handel tätig oder aber als Mediziner.
Im Juni 1678 dürfen sich Tobias und Gabriel ben Mose (auch Moschowitz genannt) als erste jüdische Studenten in Deutschland überhaupt an der Alma Mater Viadrina immatrikulieren. Für diesen Schritt benötigen sie allerdings noch ein kurfürstliches Privileg. Ihre Matrikelnummern werden gekennzeichnet und gegen ihre Aufnahme gibt es Widerstand einiger Professoren. Das begleitet auch ihren Studienweg - sie werden für einige Professoren zu Objekten der Bekehrung, die es gilt vom Christentum zu überzeugen.
Trotz eines erfolgreichen Studiums bleibt den beiden eine Promotion in Frankfurt versagt, weshalb es sie nach Padua in Italien verschlägt. Von dort aus macht Tobias ben Mose als Leibarzt des Sultans in Konstantinopel Karriere.
Erst 1721 kommt es zur ersten Promotion eines jüdischen Studenten, gefördert durch den Medizin-Professor Andreas Goelicke. Moses Salomon Gumperts erhält den Doktorgrad in Medizin, muss aber aufgrund seines jüdischen Glaubens auf die üblichen Feierlichkeiten in der Marienkirche verzichten. Man versagt ihm auch die Dozentenstelle.
In der gesamten Universitätsgeschichte von 1506 bis 1811 gibt es keinen einzigen bekennenden jüdischen Professor. Aron Margalitha, Professor für altes Judentum, wird vor Antritt seiner Professur getauft. Auch Christian Leberecht Felß muss sich vor seiner Anstellung taufen lassen. Dabei arbeitete er zuvor sogar als Rabbiner.
Von 1678 bis 1811 studieren mindestens 140 jüdische Studenten in Frankfurt. Dabei weilt allerdings nie eine größere Zahl von ihnen gleichzeitig an der Universität. Ein großer Teil stammt aus Polen. In den 73 Jahren von1721 bis 1794 gibt es 29 Promotionen jüdischer Studenten in Medizin.
Im August 1811 wird die Alma Mater Viadrina, aufgrund der Konkurrenz zur Berliner Universität, der heutigen Humboldt-Universität, nach Breslau verlegt.
Die Universitätsgebäude dienen bis 1962 unter anderem als Schulgebäude und Amtsgericht. Zu DDR-Zeiten scheitern mehrere Nutzungsversuche. Das Gebäude verfällt und wird schließlich 1962 gesprengt.
Das Porträt ganz links auf der Schmuckmauer zeigt übrigens Johann Christoph Beckmann, Universitäts-Direktor und Professor für griechische Sprache und Geschichte, sowie Doktor der Theologie. Ihm verdanken wir einen speziellen Teil jüdischer und universitärer Geschichte - den hebräischen Buchdruck.
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